In unserem Expertenrat zum anlagebedingten Haarausfall (Alopecia androgenetica) wurde in den vergangenen Wochen häufig zu Art und Ausmaß möglicher Nebenwirkungen einer Finasterid-Behandlung bei Männern gefragt, insbesondere zu einem Nachlassen der Libido (Verlangen nach Sexualität) bzw. zu Potenzstörungen. Aus diesem Grund haben wir die Aussagen von Prof. Hans Wolff von der Ludwig-Maximilians-Universität in München zu diesem Thema noch einmal zusammengefasst:
"Zur Frage von Nebenwirkungen einer Behandlung mit 1 mg/Finasterid (Handelspräparat Propecia) wie Abfall der Libido oder Potenzabschwächung gibt es vier Ebenen der Aufarbeitung:
- Die individuelle Ebene: Obwohl es keine "Langzeitschäden" gibt, empfehle ich, Propecia auf jeden Fall bei vermuteten Nebenwirkungen abzusetzen. Jeder Propecia-Anwender, der an sich Libido- oder Potenz-Abschwächung spürt, sollte das Mittel für etwa 4-8 Wochen
absetzen und danach nochmals für etwa 4-8 Wochen ansetzen. Wenn wirklich Propecia für die Libido- oder Potenzminderung verantwortlich ist, muss die Nebenwirkung 2-4 Wochen nach dem Absetzen verschwunden sein und 2-4 Wochen nach dem Wieder-Ansetzen wieder auftreten. Wenn dies der Fall ist, rate ich zu Alternativen wie z.B. der Minoxidil 5% Lösung (Handelspräparat Regaine). Langzeitimpotenz durch Propecia halte ich für ausgeschlossen.
- Die Ebene der Internet-Foren: Hier sind sehr gut informierte und engagierte Anwender aktiv. Jede Äußerung hinsichtlich Nebenwirkungen ist für mich absolut glaubhaft, denn jeder Anwender will ja seinen Haarausfall stoppen. Allerdings lassen sich aus den Internet-Foren keine statistischen Häufigkeiten ermitteln.
- Meine eigene Erfahrungsebene: Propecia gehört zu den in meiner Haar-Sprechstunde häufig verschriebenen Mitteln. Mittlerweile sind sicher über 1.000 Patienten damit behandelt worden, zum Teil bereits seit über 5 Jahren. In unserem Patientengut schätze ich die Häufigkeit von Propecia-Nebenwirkungen auf etwa 1-3% der Anwender.
- Die wissenschaftliche Ebene: In der über 5 Jahre gehenden wissenschaftlichen Studie zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Finasterid-Tablette (Propecia) bei anlagebedingtem Haarausfall der Männer wurde folgendes festgestellt: Eine Tablette Propecia pro Tag hemmt den Aufbau von Dihydrotestosteron (DHT) in der Kopfhaut; der
DHT Spiegel im Körper wird um 70 % gesenkt. Durch Propecia wird die Schrumpfung der Haarwurzeln verhindert. Bei etwa 90% der Anwender lässt sich der Haarausfall stoppen; etwa 60% der Anwender bekommen eine dauerhafte Verdichtung des Kopfhaares. Günstig ist dabei, dass das für die Muskeln, die Potenz und die Knochendichte verantwortliche Hormon Testosteron durch Propecia nicht abgesenkt wird. Deshalb haben auch nur etwa 1-2% der Propecia-Anwender subjektive Nebenwirkungen wie Potenzabschwächung. Andererseits
vertrugen 98% der Propecia-Patienten in der Studie das Mittel
hervorragend - ohne jede Nebenwirkung. Für die Potenz sollte eigentlich nur Testosteron (T) und nicht DHT zuständig sein. Da T durch Finasterid nicht Vermindert wird, kommt es in der Regel auch zu keinen Potenzstörungen. Warum 1-2% der
Anwender Potenzstörungen bekommen, kann ich nicht genau erklären.
Im Rahmen der Studien an über 1.500 Männern (die eine Hälfte bekam Propecia, die andere Hälfte bekam Plazebo - eine unwirksame Substanz) wurde nach Beeinflussung der Libido, nach Veränderung des Samenvolumens und nach Potenzproblemen gefragt. Unter 2 % aller Männer (also auch der Plazebo-Probanden) gaben eine Abnahme der Libido, des Samenvolumens (das Samenvolumen hat hier nichts mit der
Qualität der Spermien zu tun) und Potenzprobleme an. Der Unterschied zwischen den Männern die Plazebo und Propecia eingenommen haben war statistisch nicht signifikant, also unbedeutend. In mehreren Studien an Propecia-nehmenden Männern wurden auch Untersuchungen des Spermas vorgenommen. Die Zahl der Spermien, deren Beweglichkeit und Form hat sich unter Propecia-Einnahme nicht verändert."